Sonntag, 27. Dezember 2009

JU lässt grüßen

AUF DEN BUSCH GETROMMELT
Die Junge Union erklärt uns die Welt


Vor Kurzem hat mir ein Freund ein kleines, dünnes Büchlein zukommen lassen. Es ist ein Hetzblatt der jungen schwarzen Pest (JU), nennt sich „Die Buschtrommel“ und führt im Untertitel den Satz „Nachrichten nicht nur für Schwarze“. „…, sondern auch für Weiße und Mexikaner und Indianer und Japaner“ möchte man fast noch hinzufügen. Das schmale Heftchen mit nur zehn Seiten, das auf Seitenzahlen verzichtet, weil JU-ler in der Schule gelernt haben mit den Fingern bis Zehn zu zählen, bezeichnet sich als Zeitschrift, ist in Wirklichkeit aber eine Dokumentation nachtschwarzer Inkompetenz und parteipolitischer Kriecherei.

Die bösen Roten und die bösen Unibesetzer

 
Doch gerade deswegen ist es so unterhaltsam zu lesen. Besonders kurzweilig sind Passagen, in denen das linke politische Spektrum mit rhetorischen Kanonen mit voller Breitseite beschossen wird. In einem Artikel über den Bildungsstreik spricht der Autor Alex Gebhardt von „Möchte-gern-Guevaras“ und von „populistischen Parolen […] kombiniert mit (un)feinster sozialistischer Rhetorik, die Margot Honecker im fernen Südamerika trotz Greisenalters zu Luftsprüngen veranlassen dürften.“ Hättest Komiker werden sollen, Alex, dann hättest du was Gescheites gelernt! Denn ein Großteil des Resttextes ist kruder Unsinn. Den Streikunterstützern, zu denen unter anderem die LINKE, SPD und der DGB gehören, wirft er vor, die Proteste zu instrumentalisieren, „um eigene wirre politische Interessen und Absichten zu propagieren.“ Ach so, Chancengleichheit auch für Menschen aus ärmeren Schichten zu schaffen, sind wirre politische Absichten? Wie schön es sein muss in der kleinen glücklichen Märchenwelt der Union zu leben! 


Außerdem findet Herr Gebhardt, dass es vollkommen unzulässig sei, den Streik zu politischen Zwecken zu missbrauchen, „besteht doch der Anspruch, eine Vertretung der gesamten Studentenschaft darzustellen.“ Würde das nicht heißen, dass Streik grundsätzlich abzulehnen ist, wenn auch nur EIN EINZIGER, den es betrifft, dagegen ist? Wo wäre bei dieser Einstellung unsere Demokratie? Ah, richtig, im Märchenland der Union. Denn dort ist es ja auch weder moralisch fragwürdig noch falsch, Kindesmissbrauchsopfer zur Legitimation von Zensur erleichternden Netzsperren einzusetzen, wie es vor fast einem halben Jahr unsere damalige Bundesmutti Adolfa Zensursula von den Laien, Baroness von Münchhausen, getan hat.
 

Zuletzt setzt sich der Chefkomiker des Artikels auch noch mit den Forderungen der Streikenden auseinander und befindet, dass einige „es teilweise nicht einmal Wert [sind], auch nur einen Gedanken über ihre Umsetzung zu verschwenden.“ Wie es um das Denken in der Union bestellt ist, zeigt das Beispiel, dass der junge Unionist liefert: „Reiche Eltern für alle“. Da kugelte ist mich bereits wieder vor Lachen. Ich habe eine Umfrage unter 100 Stück halben Metern Feldweg gemacht und kein einziger glaubt, dass „Reiche Eltern für alle“ eine ernsthafte Forderung darstellt, sondern vielmehr einen Missstand thematisiert. Damit ist bewiesen, dass die Union nicht so dumm ist wie ein halber Meter Feldweg. [Und jetzt einen Schritt weiterdenken!]
 

Rechts und Links ist beides das Gleiche
 

Aus der Kategorie „Die JU rettet die Welt“ kommt vom Buschtrommel-Häuptling Ulrich Meierhöfer persönlich ein Artikel mit dem Titel „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen.“ Darin beschreibt er das heldenhafte Verhalten seiner Partei, anlässlich eines Parteitages der LINKEN in Erlangen. „Um zu demonstrieren, dass die Linke [aufgrund Jahre langer parteipolitischer Konditionierung, schreiben Unionisten scheinbar DIE LINKE nicht in Versalien; Anmerkung des Bloggers] in Erlangen ebenso wenig erwünscht sind [sic!] wie die Rechten in Gräfenberg, verteilten die JU-Kreisverbände […] tausend selbstentworfene Flugblätter […].“ Das war auch nötig, da DIE LINKE ja keine demokratisch gewählte Partei ist, weshalb sie auch vom Verfassungsschutz bespitzelt werden muss. Denn schließlich war die DDR „ein Staat, in dem Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit, Eigentumsfreiheit und Menschenwürde Fremdworte waren.“ 

Nur Dank der Union leben wir heute in einer vorbildlichen Demokratie. Die Meinungsfreiheit wird nicht durch gestörten Abmahnwahn eingeschränkt. Unsere Rechtsstaatlichkeit wird nicht von korrupten Firmenchefs ad absurdum geführt, die Millionen an Steuern hinterziehen und dann mit einigen Tausend Euro Strafe sich eins ins Fäustchen lachen. Die Chancengleichheit bei der Bildung und damit fürs ganze spätere Leben hat sich durch die Studiengebühren verbessert; die Schere zwischen Arm und Reich geht nicht weiter auseinander. Und der Mensch bewahrt sich seine Würde, indem er den ganzen Tag arbeitet und trotzdem Geld vom Staat beantragen muss, um seine Familie zu ernähren. Ja, es ist alles besser geworden in der bunten Märchenwelt der Union.
 

Was Chatten und „f*** mich“ anrichten kann
 

Zu guter Letzt ein Thema, bei dem die Union schon immer brillierte. In einem halbseitigen Artikel des DinA5-Heftchens beschäftigen sich gleich zwei Medienexperten der JU, Werner Hirmke und Jürgen Beck, unter dem Titel „Gefahr neue Medien“ mit, richtig, dem Internet, einer Kernkompetenz der Unionisten. Darin halten sie eine „Nachlese für alle Eltern, Großeltern und Erziehungsberechtigte“. Ob der Text auch für Nicht-Eltern, Nicht-Großeltern und Nicht-Erziehungsberechtigte geeignet ist bleibt offen. Es wird auf jeden Fall auf einen Vortrag Bezug genommen, in dem die Erlanger KriPo „wahre Horrorszenarien aus dem modernen Medienzirkus auf[zeigte], wie sie im realen, tagtäglichen Leben tausendfach vorkommen.“ Es wird gewarnt, dass man durch unverfängliche Suchbegriffe auf pornographische oder Gewalt verherrlichende Seiten oder beides zugleich geraten kann. Und tatsächlich: ich war geschockt auf welchen Schund man bei Suchbegriffen wie „cdu“, „ju“, „csu“, „union“ usw. stößt. Besonders problematisch seien Chatrooms, wo Kriminelle unwissenden und gutgläubigen Jugendlichen Daten entlocken können. Zum Glück passiert so etwas abseits des Internets nicht. Oder hat schon mal jemand von Datenskandalen bei der Telekom oder bei Versicherungen gehört, oder gar von Vorratsdatenspeicherung?
 

Dann einer meiner Lieblingssätze in dem Artikel: „Wenn Sie, liebe Eltern, genau wissen (wollen), was chatten und ‚f*** mich‘ mit ihren Kindern anrichten kann […] haben Sie etwas versäumt….“ Erstens: Welchen Sinn hat es „wollen“ in Klammern zu setzen? Naja, egal. Zweitens: Chatten richtet mit den Kindern meist an, dass sie sich mit ihren Freunden unterhalten. Und Drittens: Wow, wir können „fick mich“ nicht ausschreiben? Warum? Ach ja, steht ja nicht in der Bibel. Und was richtet dieser Ausdruck, der unter anderem „Rutsch mir doch den Buckel runter“ bedeutet, aus? Keine Ahnung. Im Unions-Märchenland weiß man sicher mehr. Vielleicht waren die beiden Autoren aber auch etwas ungehalten, weil, trotz Ankündigung in Wochen- und Gemeindeblättern „gerade einmal zwei Eltern den Weg“ zum Vortrag fanden. „Niederschmetternd“ resümieren die Schreiberlinge.
 

Noch niederschmetternder für mich ist aber die folgende Bemerkung: „Die heutige Jugend ist nicht deshalb schlechter, weil sie wie alle Generationen vor ihr neugierig ist, aber mit neuen Medien nicht verantwortungsvoll umzugehen weiß.“ Das lasse ich einfach unkommentiert.    

[Ich wollte auf den pdf-Download der "Buschtrommel" verlinken, doch leider ist die aktuellste Version die vom Dezember 2008]