Samstag, 21. November 2009

Nachgetreten

„Was drauf steht, muss auch drin sein“
Oder: Die beeindruckende Fähigkeit des Staates meine Gedanken zu lesen


In meinem letzten Blog-Posting hatte ich von dem Jungen berichtet, der aufgrund der Sweatshirt-Aufschrift „A.C.A.B.“ („All Cops are Bastards“) von der Polizei in Gewahrsam genommen wurde. Bei mir und sicher noch bei manch anderem hat das ungläubiges Kopfschütteln ausgelöst. Dann habe ich aber folgenden Kommentar auf meinen Eintrag gelesen: „Jenseits aller Sympathie für den Jugendlichen - aber schon vor über 12, 13 Jahren haben wir massig Stress für das Tragen von A.C.A.B. bekommen. […]Das kann und muss jeder wissen, der ein A.C.A.B.-Shirt trägt“. Das hat mich Naivling nachdenklich gemacht und mich veranlasst noch einmal nachzutreten.


In der Begründung zum Verbot solcher Aufschriften heißt es, dass sie eine öffentliche Provokation und eine Beleidigung seien und dass man davon ausgehe, dass derjenige, der solch eine Aufschrift trägt auch gewalttätig werden wird.

Staatsanwaltschaft und Beamte erdreisten sich also aufgrund meines T-Shirts meine Gesinnung und meine Handlungen vorhersagen zu können? Wenn ich also ein Shirt mit dem Kopf von Che Guevara trage, habe ich vor eine kommunistische Revolution anzuzetteln? Und wenn ich eine Friedenstaube auf der Brust trage, besteht wohl eher keine Gefahr, dass ich Amok laufe und wahllos Menschen abknalle? Dazu müsste ich ja schließlich ein Counterstrike-Shirt tragen!

„A.C.A.B“ eine Beleidingung? Kann man verstehen, denn laut ADAC ist es ja schon eine Beleidigung, wenn man einen Polizisten bei der Verkehrskontrolle duzt! Kann ich jemanden wegen Beleidigung anzeigen, wenn er mich duzt? Nein? Stimmt, einige Menschengruppen sind nun mal gleicher als andere. Hypothetische Frage: Kann ich mit der Aufschrift rumlaufen „80 Prozent aller Polizisten sind Bastarde“ und wer sich zu den 80 Prozent rechnet ist selber schuld?

Es ist erschreckend, dass heute in Deutschland immer noch Gesetze erlassen werden können, die sich in derselben Art auf zweifelhafte und fragwürdige Argumentationen stützen, wie es zum Beispiel Hitlers Rassengesetze taten (Oh Gott, oh Gott, ein Hitler-Vergleich). Wenn deutsche Politiker die Nase über Menschenrechtsverletzungen in China rümpfen, dann sollten sie lieber mal die Nase in die eigene Gartenerde stecken. Vielleicht würden sie dann merken, dass auch hierzulande noch genug bürger- und verfassungsfeindliche Verordnungen getroffen werden. Aber was ist schon verfassungsfeindlich? Wenn das Innenministerium die demokratisch gewählte Partei „Die LINKE“ problemlos überwachen lassen kann, dann wird klar, dass die Einschätzung, was verfassungsfeindlich ist, nicht von unserem Grundgesetz vorgegeben wird, sondern von dem, der gerade an der Macht ist.

Von einer aufgeklärten Gesellschaft im Sinne Kants haben wir uns in manchen Punkten weit entfernt und sind wieder da angekommen, wo sich viele Deutschen heimlich zurück sehnen: im Mittelalter. Denn wo ist der gravierende Unterschied, ob mir ein Gericht vorschreibt welches T-Shirt ich tragen darf oder ein Feudalherr darüber entscheidet ob und wen ich heirate?

Man muss sich fragen, ob Justitia ihre Augenbinde wirklich trägt um nicht ungerecht zu entscheiden oder um die ganze Ungerechtigkeit, die in ihrem Namen geschieht, nicht mit ansehen zu müssen?

Aber lassen wir den Abend heiter ausklingen und machen als erfindungsreiche Menschen aus der Not eine Tugend. Wenn der Staat vorsieht, dass das was auf dem Shirt draufsteht auch im Shirt drin stecken muss, dann bastle ich mir doch gleich morgen ein paar nette Aufschriften. Wie wärs zum Beispiel mit „Ich habe unermesslich viel für die Bundesrepublik Deutschland getan“. Bald müsste ein Anruf von Horst Köhler kommen, der mir das Bundesverdienstkreuz an die Brust nagelt. Oder noch besser: „Ich habe das beste und ausdrucksstärkste Buch der Welt geschrieben!“ Literaturnobelpreis, wo bist du? „Ich will die Menschen miteinander versöhnen und der Welt Frieden bringen!“ Friedensnobelpreis? Ach ne, die Idee hatte schon Obama. Schade.

„Was drauf steht, muss auch drin sein.“ Das wird mein neues Motto. Darum schreibe ich jetzt auf meinen Aldi-Traubensaft „Château Mouton-Rothschild 1945“, pinne auf meinen Fernseher das Schild „Roland Emmerichs ‚2012‘“ und mach mir eine schöne Zeit!


4 Kommentare:

  1. Wer auf ein T-Shirt mit physischer Gewalt reagiert, hat aber einiges nicht verstanden. Ich verprügele auch nicht den Schäuble, wenn er mir meine Freiheit klaut, sondern wähle ihn ab, wie es sich gehört. Warum kann der Staat sich nicht an demokratische Grundsätze halten... z.B. Gewaltfreiheit? oder Unschuldsvermutung?

    P.S. "pinne auf meinen Fernseher das Schild „Roland Emmerichs ‚2012‘“ und mach mir eine schöne Zeit!" - aah da kommst du leider zu spät - in der DDR gab es das auch schon - da stand auf einem Fernseher Phillips drauf. Eines Tages fiel das Schild ab, und drunter war: Metz. So ein Pech.

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  2. Na ja, habe im ADAC auch den Teil mit den Beamtenbeleidigungen gelesen. Ich muss schon sagen, dass das Duzen als Beleidigung aus meiner Sicht schon übertrieben ist.
    Aus einer Abkürzung herauszuinterpretieren, dass die Meldung "All cops are bastards" damit gemeint sei, erschliest sich wohl auch nur aus der "kriminellen Erfahrung" von Beamten.

    Hätte er den Satz ausgeschrieben, könnte ich die Problematik verstehen.

    Würde er die Abkürzung ACAB als "All cops are bastards", könnte ich die Problematik auch verstehen.

    Machen wir uns nichts vor, wer mit so einem Shirt zur Demo geht setzt auf Provokation.

    Hey, vielleicht interessiert dich da das letzte Schäublebashing:

    http://redwolf2222.wordpress.com/2009/11/22/schaublebashing-3-0

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  3. @redwolf2222: Ok, kann sein, dass jemand, der mit einem ACAB-Shirt auf Demos geht, auch provozieren will! Aber ein Satire-Magazin (z.B. TITANIC) setzt mit seinen Texten auch auf Provokation. Viele Künstler wollen mit ihren Werken bewusst provozieren und damit zum Nachdenken anregen.
    Provokation sollte das Recht eines jeden Menschen in einer freiheitlichen Gesellschaft sein. Klar wollen die Regierenden, dass das Wahlvieh alle paar Jahre sein Kreuzchen macht und ansonsten die Schnauze hält und Steuern zahlt. Aber müssen wir denen die Volksverarsche gar so einfach machen?
    Provokation ist Meinungsfreiheit! Und so lange ich niemandem in die Fresse schlage, kann auf meiner Kleidung stehen was will! So sollte es zumindest in einer Gesellschaft sein, in der Bürger- und Menschenrechte geachtet werden? Die Frage ist nur, ob wir in solch einer Gesellschaft überhaupt leben?

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  4. Nebendran weil wegen Gesetze erlassen die sich auf seltsame Argumentationen stützen: Gestern habe ich einen meiner besten Freunde vom Flughafen abgeholt, er war, anders als veranschlagte 6 Monate, 5Wochen in Australien.
    Anekdote: S: "Dort hängen ÜBERALL kameras. Der Staat reguliert für dich zu 100% was du tun darfst, und was du nicht tun darfst. Und diese kameras überall. Das geilste aber ist die Begründungen die da bei den kameras stehen: "Because it is the law"

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