Sonntag, 11. Oktober 2009

Filmkritik zu "Verblendung"

Verschwendung
oder: Wie man mehr als zwei Stunden seiner Lebenszeit wegwirft

Gestern Abend habe ich den vielbesprochenen und hochgelobten Krimi-Thriller „Verblendung“ gesehen. Es ist die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Stieg Larsson. „Verblendung“ ist der erste Teil von Larssons „Millennium-Trilogie“, was bedeutet, dass wir uns nächstes Jahr auch noch auf die beiden anderen Filmteile gefasst machen müssen. Ich sage bewusst „gefasst machen müssen“, denn „Verblendung“ ist eine zwei-ein-halb-stündige Verschwendung der Lebenszeit. Der Film sollte daher eher „Verschwendung“ statt „Verblendung“ heißen!

Die Story
Die Geschichte ist altbewährt und schnell erzählt. Die Nichte von Hendrik Vanger, dem Kopf einer mächtigen Industriefamilie ist vor 40 Jahren spurlos verschwunden. Hendrik hat die Suche aber nicht aufgegeben und engagiert den Journalisten Mikael Blomkvist ihm zu helfen. Vanger glaubt, dass seine Nichte Harriet von jemandem aus der Familie ermordet wurde. Blomkvist soll den Schuldigen finden. Dabei erhält er unerwartet Hilfe von der psychisch labilen Hackerin Lisbeth Salander, die seinen Computer ausspioniert und auf Blomkvists Recherchen stößt. Gemeinsam kommen sie der Wahrheit auf die Spur.

„LANGWEILIG!“ und durchschaubar
Wie immer suggeriert der
Trailer etwas ganz anderes als der Film eigentlich bieten kann und wie immer überschlagen sich fast alle Medien mit positiven Kritiken über dieses Desaster, das sich irgendwo zwischen Thriller oder Krimi einordnen lassen will. Die ZEIT hat wohl einen Blinden zur „Verblendung“ geschickt, über dessen Braille-Tastatur eine behinderte Katze gelaufen sein muss: Denn wie könnte man sich sonst den Titel „Die elektrisierende Vivisektion eines stinkenden Familienkörpers“ erklären? Ich dagegen verorte diesen Film in der nüchternen Homer-Simpson-Kategorie „LANGWEILIG!“

Die Bücher habe ich nicht gelesen. Es kann sein, dass sie besser sind, was ich bei 15 Millionen verkauften Exemplaren auch vermute. Die Verfilmung dagegen ist ein vollständiger Missgriff. Wirklich überraschende Momente gibt es in der Handlung nicht, zumindest nicht für Menschen, die schon mehrere Krimis oder Thriller gesehen haben. Das beste Beispiel sind die Bilder mit den getrockneten Blumen. Hendrik Vanger bekommt jedes Jahr zu seinem Geburtstag ein Bild mit getrockneten und gepressten Blumen. Dieses Ritual hat seine Lieblingsnichte Harriet 1958 begonnen. Doch Harriet ist seit über 40 Jahren spurlos verschwunden. Trotzdem kommt jedes Jahr ein Paket mit einem neuen Bild an. Hendrik glaubt an einen kranken Scherz des Entführers oder Mörders von Harriet. Ich dagegen dachte etwas naiv und gerade heraus an Harriet selbst, die vielleicht geflohen und noch am Leben ist. Und was soll ich sagen? Ich werde mich in Zukunft nur noch Sherlock Holmes nennen und ein Detektivbüro aufmachen!

Das ist nur ein Ausschnitt einer extrem laschen und durschaubaren Story. Grundsätzlich macht sich jeder, der gewohnt ist Krimis oder Thriller zu sehen, während eines Films Gedanken, wer der Mörder sein könnte und worum es in dem Film eigentlich geht. Für solch einen Zuschauer ist es das Schlimmste, wenn er merkt, dass er Recht hat. Denn dann ist die ganze Spannung weg. Es gelingt dem Film zwar den wirklichen Serienmörder – der viele Frauen getötet hat, aber eben nicht Harriet – geheim zu halten, aber da es nicht wirklich einen konkreten Verdacht gegen andere Personen gibt, fällt der Twist recht schwach aus. Mehr als ein „Ach so, na ja, gut!“ kann man dem versierten Zuschauer sicherlich nicht entlocken.

Einfallslos und altbewährt
Überhaupt wird die eigentlich unspektakuläre Handlung auf unsägliche 2,5 Stunden gedehnt. Von Action, wie es der Trailer vermuten lässt, Fehlanzeige! Die Senioren von der
FAZ sehen die Action vor allem in der Ermittlungsarbeit: „Bei erheblicher Überlänge sind Durchhänger zu erwarten, aber die Schwierigkeit, Archivwühlerei, Aktenstudium und Computerhacken als dynamische Filmbilder zu transportieren, ist geschickt gelöst: Blomkvist scannt Hunderte von alten Fotografien ein. Durch diese Bildermengen scrollt er hin und her, bis sie in Bewegung geraten.“ Die Dynamik der Archivwühlerei und die Action des Aktenstudiums und die Spannung des Scannens! Hoffentlich ist der gute FAZ-Autor bei so viel Adrenalin nicht einem Herzinfarkt erlegen!

Es stimmt, dass der Film in den Ansätzen gesellschaftskritisch ist. Er behandelt tatsächlich zahlreihe soziale Themen oder schneidet sie zumindest an. Im Vordergrund stehen vor allem Formen und Auswirkungen der Gewalt: Häusliche Gewalt, Gewalt gegen Frauen, Vergewaltigung, antisemitisch bedingte Gewalt, Rache, psychisch kranke Lust an Gewalt, körperliche Gewalt, nur um einige zu nennen. Aber das ist nichts sagenhaft Neues. Jeder Thriller oder Krimi arbeitet in irgendeiner Form mit Gewalt. Und dass in „Verblendung“ die verkommensten und gewalttätigsten Subjekte meist aus der Oberschicht stammen, für die Gewalt ein Mittel gegen Langeweile oder zum Machterhalt ist, kann nicht als besonders innovativ betrachtet werden. Da gibt es zahlreiche Filme, die diesen Themenkomplex dichter und besser aufarbeiten.

Die Figur des krankhaft verbissenen Journalisten, der einen spektakulären Fall lösen will und nicht locker lässt bis er sein Ziel erreicht hat, taucht mit Mikael Blomkvist (Michael Nyqvist) auch nicht zum ersten Mal bei „Verblendung“ auf. Ich erinnere an Cal McAffrey (Russell Crowe) in „State of Play“ und welch eine Überraschung; auch ihm stand mit Della Frye (Rachel McAdams) eine junge Frau zur Seite. Natürlich kann man die Bloggerin Frye nicht mit der Hackerin Lisbeth Salander aus „Verblendung“ vergleichen. Frye ist eine naive Anfängerin und Salander ist eine psychisch instabile Kämpferin. Aber die Paarung älterer Mann und jüngere Frau in Krimis und Thrillern, ist etwas übertrieben ausgedrückt so alt wie die Menschheit. Innovation? Fehlanzeige! Dass die beiden Schauspieler ihre Rollen gut gespielt haben, mag sein, aber an der mageren Handlung ändert das nichts.

Fazit
Einzig der
SPIEGEL nimmt den Film für das, was er ist: „[…] vor allem sauberes Handwerk. Nicht mehr aber auch nicht weniger.“ Der Film von heute hat das gleiche Problem, das bereits die Schriftsteller der Moderne erkannt hatten: Es gibt eigentlich nichts Neues mehr. Alles ist nur Variation des Alten. „Verblendung“ ist eine schlechte und langweilige Variation. Wie noch eine leidige Abhandlung zu Goethes „Faust“, ist „Verblendung“ noch ein leidiger Film in der Kategorie Krimi/Thriller. Er ist unerträglich und leider das Geld für die Kinokarte nicht wert.

1 Kommentar:

  1. Also, ich fand den Film gut. Weiß nicht ob es daran lag dass ich das Buch vorher gelesen hatte, aber sowohl die Charaktere als auch die Handlung gefielen mir, vielleicht hier und da ein bisschen wenig Hintergrundinformation. Vielleicht ist das Problem an dem Film eher, dass man die Fülle an Information aus dem Buch nicht in den Film "reinpressen" kann.

    Der Großindustrielle heißt im Film übrigens Henrik Vanger und nicht Hendrik.

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